Warum ich Bluesky verlasse – vom Traum der Offenheit zum politischen Schauplatz
Bluesky sollte das bessere Twitter sein: frei, offen, dezentral. Doch mit dem Einzug offizieller Regierungsaccounts kippt die Stimmung – aus einem Traum von digitaler Freiheit wird ein politisches Spielfeld. Warum ich die Plattform verlasse.
Als Bluesky im Windschatten von X (vormals Twitter) aufstieg, versprach die Plattform genau das, was viele von uns suchten: ein offenes, dezentrales Netzwerk, frei von Manipulation, Hetze und Machtinteressen. Ich war begeistert – endlich ein Raum, in dem Menschen wieder als Menschen miteinander reden konnten, nicht als Zielgruppen. Doch dieser Traum ist in den letzten Wochen brutal an der Realität zerschellt.
Der Wendepunkt: Regierungsaccounts ziehen ein
Am 17. Oktober 2025 eröffnete das Weiße Haus ein offizielles Profil auf Bluesky. Der erste Post? Ein Video mit „Trump-Highlights“ – militärische Paraden, Patriotismus in Reinform, garniert mit Spott über Demokraten und einem süffisanten „Was geht, Bluesky?“. Laut Plattformanalysen erreichte das Konto innerhalb von zwei Tagen über 100 000 Sperrungen – und avancierte prompt zu einem der meistblockierten Accounts in der Geschichte der Plattform.

Kurz darauf folgten weitere Ministerien, darunter das Heimatschutz-, Außen- und Verteidigungsministerium, die allesamt mit politisch aufgeladenen Botschaften gegen Demokraten nachlegten.
So schreibt das US-Außenministerium auf Bluesky: "Wir haben gehört, dass dies ein großartiger Ort für einen offenen und ehrlichen Dialog ist, also sind wir hier, um darüber zu sprechen, wie der Shutdown der Demokraten unser Land auf der Weltbühne untergräbt."
Juristen warnten, diese parteipolitischen Posts könnten sogar gegen den Hatch Act verstoßen – ein US‑Gesetz, das Regierungsmitarbeitern politische Kampagnen im Amt untersagt.
Die Community reagiert mit Blockieren – und Flucht
Die Bluesky‑Community, die bisher für ihre progressive, pluralistische Haltung bekannt war, reagierte deutlich: Massenhaft wurden Regierungsseiten blockiert. Viele, die sich für den demokratischen und dezentralen Charakter der Plattform engagiert hatten, sahen darin eine Form digitalen Widerstands.
Doch das Vertrauen war angeschlagen. Nutzer fragten sich, ob Bluesky noch der unabhängige Raum ist, der einst als Gegenentwurf zur politisierten Kommunikationskultur von X galt. Der Einzug offizieller Regierungsstrukturen, noch dazu mit bewusst provokativer, propagandistischer Tonalität, machte deutlich: Auch diese Plattform ist nicht immun gegen Instrumentalisierung.
Für mich war das der Bruch
Bluesky galt einmal als das Symbol der Hoffnung auf ein besseres, nutzerzentriertes Internet. Jetzt wirkt es wie eine Bühne, auf der Macht wieder den Takt vorgibt. Was früher nach Gemeinschaft roch, schmeckt heute nach Strategie – nach Einfluss statt nach Austausch.
Ich habe mich entschieden, mein Konto zu schließen. Nicht aus Trotz, sondern aus Konsequenz. Denn wenn eine Plattform, die sich Dezentralität und Souveränität auf die Fahnen geschrieben hat, zum Feldzug politischer Kommunikation wird, dann verliert sie ihren Kern.
Meine digitale Heimat liegt inzwischen auf hadan.social, meiner eigenen kleinen Mastodon‑Instanz – dort, wo keine Regierung, kein Investor und keine Agenda die Gespräche bestimmt. Dort, wo das, was wir „öffentlich“ nennen, wirklich von uns allen getragen wird.
Der größere Punkt: Wer das Netz kontrolliert
Die Bluesky-Episode zeigt erneut, wie fragil unsere digitalen Utopien sind. Soziale Räume im Netz lassen sich leicht kapern – sei es durch Staaten, Konzerne oder Ideologien. Die dezentrale Idee bleibt richtig, aber sie braucht Schutz, Haltung und Achtsamkeit.
Vielleicht ist das der eigentliche Lernmoment: Freiheit im Netz entsteht nicht durch Plattformen, sondern durch Menschen, die bereit sind, sie zu verteidigen – immer wieder neu.